A. Steinbach: Sprachpolitik im Britischen Empire

Title
Sprachpolitik im Britischen Empire. Herrschaftssprache und Integration in Ceylon und den Föderierten Malaiischen Staaten


Author(s)
Steinbach, Almut
Series
Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London 67
Published
München 2009: Oldenbourg Verlag
Extent
310 S.
Price
€ 38,80
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Dagmar Hellmann-Rajanayagam, Ludwig-Maximilian Universität München

Die vorliegende Dissertation führt in ihrer Analyse zwei britische Kolonien zusammen, die bisher selten gemeinsam betrachtet wurden, aber, wie die Autorin richtig feststellt, trotz großer Unterschiede in der Art ihrer kolonialen Verwaltung schon aufgrund des oft identischen Verwaltungspersonals Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten in der Sprachpolitik aufweisen, denen es nachzugehen lohnt. Sie weist auch zu Recht darauf hin, dass sich durch die Wanderungsbewegungen einheimischer Gruppen zwischen beiden Kolonien zwangsläufig ähnliche Vorstellungen über Sprache und ihren Stellenwert herausbildeten. Dies gilt in besonderem Maße für die ceylonesischen Tamilen in Malaya, die ganz überwiegend die englische Sprache in Schulen und Colleges vermittelten.

Bei der Vorstellung ihres Forschungsansatz betont die Autorin, dass sie nicht einem einzelnen Ansatz oder einer einzelnen theoretischen Schule folgen, sondern unterschiedliche Ansätze verbinden will, um so zu Aussagen darüber zu gelangen, ob eine Herrschaftssprache zur Integration der Bevölkerung beitragen kann und gegebenenfalls auf welcher Ebene. Sie möchte Netzwerke von Sprach-, sozialen und politischen Gemeinschaften herausarbeiten. Es ist etwas bedauerlich, dass sie hier die Arbeiten Benedict Andersons nicht verwendet hat, der Heilige und Herrschaftssprachen und ihre Beziehungen zu den vernaculars sowie ihre Bedeutung für politische und soziale Integration und damit für verschiedene Formen des Nationalismus theoretisch verknüpft hat.

Die Autorin stellt für beide Länder ausführlich die stetig zwischen der Betonung des Englischen und der lokalen Sprachen wechselnde und oft widersprüchliche Sprachpolitik der Briten dar. Diese Widersprüche finden sich diachron für verschiedene Perioden britischer Herrschaft, in denen Sprachpolitik ganz unterschiedlichen politischen Zielen dienen konnte. Sie finden sich aber auch, und das ist das Bemerkenswerte, gleichzeitig zwischen verschiedenen Herrschaftsinstitutionen, deren Ziele in der Sprachpolitik divergieren konnten: zum Beispiel dem Colonial Office und den Beamten vor Ort auf der einen Seite sowie zwischen britischen Beamten und christlichen Missionaren auf der anderen. Oftmals verfolgten sogar einzelne britische Beamte, die nacheinander in Ceylon und Malaya dienten, im Laufe ihrer Karrieren ganz unterschiedliche Sprachpolitiken. Hier werden wieder einmal die unterschiedlichen Ziele und Überzeugungen der ‚Utilitaristen‘ und der ‚Orientalisten‘ deutlich, die jeweils unterschiedliche Ziele mit dem Spracherwerb verbanden. Auch diese Ziele selbst konnten in sich widersprüchlich sein und zu oft stark wechselnden Ansichten über Sprachpolitik führen. Für die einheimische Bevölkerung jedoch, auch das macht die Autorin klar, hatte der englische Spracherwerb vorrangig instrumentellen Charakter: er war ein Mittel zum beruflichen und sozialen Aufstieg, einem Aufstieg überdies, den die Kolonialherren in den meisten Fällen beschränken oder verhindern wollten.

Die Autorin fasst die manchmal gravierenden Unterschiede zwischen Ceylon und Malaya kompetent zusammen: während in Ceylon die Zugangsbeschränkung über Zugangsbedingungen und Prüfungen geregelt wurde, existierte in Malaya eine colour bar, die Nichteuropäer vom höheren Beamtendienst ausschloß. Gleichzeitig bevorzugten die Briten jedoch im Zuge der divide-et-impera-Politik und/oder aus sozialideologischen Gründen bestimmte Bevölkerungsgruppen, entweder weil sie sie - wie die Sinhalesen in Ceylon - für mit besonderen Rechten ausgestattete indigene Gruppen hielten oder – wie in Malaya - aus einer gefühlten sozialen Verbundenheit zur malaiischen Aristokratie heraus. Dies wirkte sich nicht nur auf die Sprachpolitik aus, sondern beeinflusst die politischen und sozialen Beziehungen in beiden Ländern bis heute.

Die Schlussfolgerung der Arbeit ist etwas paradox: Zum einen besagt sie, dass Integration über Sprache lediglich auf der Ebene einer sehr kleinen einheimischen Elite stattfinden konnte – und sollte. Eine tatsächliche Integration fand daher nicht statt, jedoch schließt die Autorin am Ende trotzdem, dass sich die Anglisierungspolitik der Briten im Hinblick auf den heutigen wirtschaftlichen Erfolg früherer Kolonien bewährt hat. Für Malaya trifft dies zu, für Ceylon nur sehr bedingt.

Die Verfasserin gelangt in ihrer Forschung zu wertvollen neuen empirischen Erkenntnissen; jedoch führt die ausschließliche Beschränkung des Quellenmaterials auf Dokumente des Colonial Office und der National Archives in London zu einigen blinden Flecken in der Analyse. Vom Aufbau der Arbeit hätte man sich eine klarere Trennung der Entwicklung in den Straits Settlements, den FMS (Föderierten Malaiischen Staaten) und den Unfederated Malay States gewünscht. Hier werden die unterschiedlichen Entwicklungen nicht immer genügend klar.

Im Falle Ceylon kommt es zu einigen faktischen Irrtümern, die auch die Analyse verzerren: Anders als Malaya waren in Ceylon die Tamilen keine spät eingewanderte Minderheit, sondern lebten dort zumindest bereits so lange wie die Sinhalesen (S. 257/58). Immigranten waren lediglich die indischen Tamilen, die im 19. Jahrhundert auf die Plantagen einwanderten. Diese stellten wie die indischen Einwanderer in Malaya immerhin 9-10% der Bevölkerung. Status und Beziehungen der Ethnien untereinander sind in Malaya und Ceylon daher nicht unbedingt vergleichbar, obwohl dies auch heute noch gern angenommen wird.

Dass in Ceylon die einheimischen Sprachen keinen oder geringen Stellenwert hatten, stimmt nur bedingt. Zumindest in den tamilischen Gebieten existierte aufgrund der starken Stellung der Amerikanischen Mission seit 1813 tamilische Erziehung immer neben der englischen. Englische Bildung wurde hier von Anfang an instrumentell verstanden, wie sich in den Äußerungen des Religionsreformers Arumuka Navalar zeigt, der tamilsprachige Schulen gründete, in denen er aber auch Englisch unterrichten ließ. Für den Transfer politischer Ideen von Indien nach Ceylon war die Beherrschung des Englischen aber nicht immer unabdingbar (S. 240). Der 1841 gegründete Morning Star zum Beispiel, ein bi-linguales Blatt, das bis heute erscheint, veröffentlichte die wichtigsten politischen Diskussionen auf Tamil unter dem Namen Bharata Necan (Freund Indiens). Neben religiösen und literarischen Fragen diskutierte der Morning Star von Beginn an Sprachpolitik und die Segnungen der britischen Herrschaft. Quellen hierzu befinden sich fast ausschließlich in Sri Lanka, so dass der Zugang schwierig gewesen wäre; es gibt jedoch die umfangreiche Arbeit der Rezensentin (Von Jaffna nach Kilinocchi, Würzburg 2007), die sich unter anderem auch mit der Bedeutung der Erziehung für das Erwachen nationalen Bewusstseins befasst. Diese Arbeit wurde nicht konsultiert.

Einige kleinere Irrtümer beeinträchtigen den Wert der Arbeit nicht, sollten aber erwähnt werden: A.K. Coomaraswamy (S. 244) ist kein guter Zeuge für die Forderung, einheimische Traditionen stärker zu gewichten, da er selbst ‚mixed‘, halb Engländer und halb Tamile war.

Bei Swarna Jayaweera und Lakshmi Kiran Daniel handelt es sich in beiden Fällen um Damen, was der Verfasserin verborgen bleibt. Dies ist besonders bedauerlich, da sie dankenswerterweise die nicht veröffentliche, sehr materialreiche Arbeit von Lakshmi Daniel heranzieht.

Trotz dieser kleineren Mängel betritt die Arbeit Neuland und wird für die weitere Forschung auf dem Gebiet der Sprachpolitik im kolonialen und auch post-kolonialen Kontext wertvolle Hinweise und Anregungen liefern.

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Published on
24.06.2011
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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